Wir alle kennen Momente, in denen wir so sehr in unseren Gedanken gefangen sind, dass wir uns nicht mehr in der Lage fühlen am täglichen Leben teilzunehmen. Wenn Ihnen dies das nächste Mal passiert, möchte ich Sie einladen, die Übung “Hände und Gedanken” aus der Akzeptanz- und Commitment-Therapie auszuprobieren.
Foto: Annie Spratt, Unsplash
ACT-Übung Hände und Gedanken
Die Akzeptanz- und Commitment-Therapie (ACT, ausgesprochen wie das englische Wort “ act”) ist eine Therapie- und Coaching-Methode, die Menschen dazu ermutigt ihre Gedanken und Gefühle anzunehmen, anstatt sie zu bekämpfen oder sich wegen ihnen schlecht zu fühlen. Ich verwende diese Übung häufig mit meinen Klient*innen in der Onlineberatung, da sie sehr gut veranschaulicht, wie sehr unsere Gedanken und Gefühle uns manchmal einschränken. Die Übung, für die Sie nichts außer Ihre Hände und 5 Minuten Ihrer Zeit benötigen, wird als Metapher für die sogenannte Defusion verwendet – den Prozess, Distanz zwischen uns und unseren Gefühlen und Gedanken zu schaffen, um den Einfluss den sie auf uns haben zu minimieren.
Welche Gedanken und Gefühle belasten Sie?
Beginnen Sie damit, sich einen Gedanken oder ein Gefühl vorzustellen, mit dem Sie gerade zu kämpfen haben oder in dem Sie immer wieder stecken bleiben. Dies kann situationsbedingt sein, also z. B. ein aktueller Konflikt bei der Arbeit oder in Ihrer Beziehung, oder auch etwas das immer wieder auftaucht, wie das Gefühl nicht gut genug zu sein, nicht geliebt zu werden, usw.
Legen Sie Ihre Hände nebeneinander wie ein offenes Buch und stellen Sie sich vor, dass Ihre Hände diese Gedanken und Gefühle darstellen.
Stellen Sie sich nun vor, dass Ihr ganzes Leben vor Ihnen im Raum ist, samt aller Dinge auf die Sie sich eigentlich gerne konzentrieren möchten, ob es nun Ihre Kinder sind, mit denen Sie Zeit verbringen möchten, das Buch das Sie gerne lesen würden oder zum Beispiel eine Aufgabe die erledigt werden müsste.
Was kommt bei Ihnen zu kurz?
Heben Sie nun Ihre Hände (also Ihre Gedanken und Gefühle) vor Ihr Gesicht und bedecken Sie Ihre Augen. Schauen Sie, wie viel von Ihrem Leben (also dem Raum vor Ihnen) Sie noch sehen können. Stellen Sie sich vor, dass Sie in diesem Zustand, mit den Händen direkt vor dem Gesicht, eine Aufgabe erledigen oder mit Menschen interagieren müssten. Ziemlich schwierig, oder? Doch so ist es, wenn Sie sich von Ihren Gedanken und Gefühlen fesseln lassen.
Behalten Sie die Hände vor den Augen und stellen Sie sich einige Fragen: Was verpassen Sie in diesem Moment? Wenn ein geliebter Mensch jetzt hier wäre, wären Sie in der Lage mit dieser Person zu interagieren? Wie leicht oder schwer fällt es Ihnen Ihre Aufmerksamkeit auf die Dinge zu richten, die Sie gerne tun würden (d. h. auf die Dinge im Raum vor Ihnen)? Wenn es jetzt etwas Wichtiges zu tun gäbe, könnten Sie es tun?
Lernen Sie „loszulassen“
Bewegen Sie Ihre nun Hände etwas von Ihrem Gesicht weg, zunächst nur ein paar Zentimer. Wie fühlt sich das an? Was können Sie jetzt sehen? Was könnten Sie so tun? Wahrscheinlich ist es schon viel mehr als vorher, aber Ihre Hände versperren Ihnen immer noch einen großen Teil Ihrer Sicht.
Bewegen Sie Ihre Hände allmählich immer weiter von Ihrem Gesicht weg und achten Sie darauf, wie viel mehr Sie sehen und tun könnten, wenn die Gedanken ein wenig weiter weg wären.
Zum Schluss wollen wir sehen was passiert, wenn wir uns von unseren Gedanken und Gefühlen „lösen“. Legen Sie Ihre Hände auf den Schoß und fühlen Sie, wie viel leichter es jetzt ist, mit anderen Menschen in Kontakt zu treten, Dinge zu erledigen usw.
Distanzieren Sie sich von Ihren Gedanken und Gefühlen
Das Ziel der Übung „Hände und Gedanken“ ist es nicht die Gedanken vollständig loszuwerden. Es geht nicht darum Ihre Gedanken und Gefühle zu bekämpfen oder zu versuchen sie zu widerlegen. Ihre Gedanken sind immer noch da (in Ihrem Schoß), aber es ist möglich sich so von ihnen zu distanzieren, dass Sie wieder andere Dinge sehen und tun können.
Wenn es nichts Hilfreiches gibt, was wir in diesem Moment mit unseren Gedanken und Gefühlen tun können (und manchmal gibt es das, z. B. wenn sie uns auf ein wichtiges Problem aufmerksam machen), dann können wir sie einfach liegen lassen und nicht zulassen, dass sie uns von all den Dingen abhalten, die wir im Leben genießen oder die wir in unserem Leben eigentlich tun müssen.
Schauen Sie sich Ihren Alltag an und beobachten Sie, wie oft Ihre Gedanken Sie so sehr im Griff haben, dass Sie Ihr Leben und die Dinge um Sie herum nicht mehr richtig wahrnehmen können. Wenn Ihnen das das nächste Mal passiert, probieren Sie diese Übung aus und schauen Sie wie es sich anfühlt, wenn Sie Ihre Gedanken (bzw. Hände) ein wenig weiter weg halten.
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Was halten Sie von dieser Übung? Lassen Sie es mich in den Kommentaren wissen! Und wenn Sie weitere Hilfe im Umgang mit Ihren Gedanken und Gefühlen benötigen, kontaktieren Sie mich gerne.
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