Wir alle kennen die quälenden Gedanken, die uns immer wieder sagen, dass wir nicht gut genug sind, unfähig bestimmte Dinge zu erreichen oder dass uns niemand liebt. Heute möchte ich Ihnen einen meiner Lieblingsansätze aus der Akzeptanz- und Commitment-Therapie (ACT) vorstellen: Die Metapher des “Katastrophen-Radios”. 

 

Das Katastrophen-Radio

Foto: Jorge Fernandez, Unsplash

 

Zum ersten Mal hörte ich von dieser Metapher während einer Fortbildung von Russ Harris – Arzt, Psychotherapeut und Autor des Buches “Raus aus der Glücksfalle“. Er ist ein führender Vertreter der Akzeptanz- und Commitment-Therapie und ich teile seine Videos häufig mit meinen Klient*innen und den Leser*innen dieses Blogs

 

Kognitive Defusion

 

Bevor wir uns genauer mit der Metapher befassen, lassen Sie uns zunächst betrachten, wie unser Verstand und unsere Gedanken arbeiten. Haben Sie schon einmal versucht sich Ihrer automatischen Gedanken und Gefühle bewusst zu werden? Damit meine ich Gedanken, die auftauchen, ohne dass Sie etwas dagegen tun können. Nehmen wir einmal an, jemand kritisiert Sie oder Sie machen einen Fehler bei der Arbeit. Was sind Ihre typischen automatischen Gedanken? Und haben Sie schon einmal versucht diesen Gedanken gegenzusteuern? 

Wenn es Ihnen so geht wie mir und den meisten meiner Klient*innen, haben Sie wahrscheinlich bereits viel Zeit und Energie darauf verwendet, zu versuchen diese Gedanken und Gefühle zu bekämpfen oder Sie zu verdrängen. Vielleicht haben Sie auch versucht positiv zu denken, haben sich ein paar inspirierende Zitate auf Ihren Spiegel oder Ihr Telefon geschrieben und versucht, sich täglich daran zu erinnern, wie toll Sie sind und dass Sie alles erreichen können. Und nun lassen Sie mich raten, es hat wahrscheinlich nicht funktioniert? Denn egal wie sehr Sie versuchen diese Gedanken zu verdrängen und sich selbst zu sagen, dass Sie geliebt werden, die quälenden Gedanken kommen immer wieder. 

Unsere automatischen Gedanken und emotionalen Reaktionen entziehen sich unserer Kontrolle, und doch verwenden viele von uns viel geistige Energie darauf, zu versuchen sie zu ändern oder zu verdrängen. Wir glauben den Stimmen in unserem Kopf so sehr, dass wir wie gefesselt von ihnen sind und sie für die Wahrheit halten, einfach nur weil sie ständig präsent sind. 

Was können wir also tun? Anstatt all unsere Energie darauf zu verwenden unsere Gedanken innerlich zu diskutieren oder zu versuchen sie zu vermeiden, können wir lernen, uns durch eine Fähigkeit namens kognitive Defusion von unerwünschten Gedanken zu lösen.

Bei der kognitiven Defusion geht es darum, Abstand zwischen uns und unseren Gefühlen und Gedanken zu schaffen, um den Einfluss, den sie auf uns haben, zu verringern. Die “Katastrophen-Radio” Metapher (im Englischen als „Radio Doom & Gloom“ bekannt und im Deutschen oft auch als “Radio Ojemine” bezeichnet) bezieht sich auf Defusion und hilft zu erklären, wie Defusionsfähigkeiten, wie die ACT Übung “Hände & Gedanken“, über die ich kürzlich gepostet habe, funktionieren.

 

 

Willkommen bei Ihrem Gedankenradio

 

Stellen Sie sich einen Moment lang vor, dass die negativen Gedanken, die Sie ständig haben, wie ein Radiosender sind, der immer im Hintergrund läuft. Leider handelt es sich dabei meist um die „Katastrophen Show“, die uns an Dinge erinnert, die in der Vergangenheit schief gelaufen sind, an schlimme Dinge, die in der Zukunft passieren könnten und an all die Dinge, die in unserem Leben im Moment sowieso nicht so sind wie wir es gerne hätten.

Das Problem mit diesem Radio ist, dass wir es nicht einfach abschalten können. Vielleicht gelingt es uns es vorübergehend mit Drogen oder Alkohol leiser zu stellen, aber die „Katastrophen Show“ wird immer weiterlaufen. Wenn Sie schon einmal aktiv versucht haben ein im Hintergrund laufendes Radio zu ignorieren, werden Sie verstehen, wie schwierig das ist. Schon der Versuch, es zu ignorieren, bedeutet, dass wir in gewisser Weise darauf konzentriert sind und uns daher weniger auf die Dinge konzentrieren können, die wir eigentlich tun wollen.

Ebenso kann der Versuch Strategien des „positiven Denkens“ anzuwenden, wie das Einschalten eines zweiten Radios sein. Wenn zwei Radios parallel laufen wird es nur noch schwieriger, sich auf das zu konzentrieren, was man eigentlich tun möchte.

 

Hintergrundgeräusche

 

Ich wette, Sie haben auch schon mal erlebt, dass im Hintergrund ein Radio lief, aber Sie es kaum wahrgenommen haben, weil Sie so sehr mit dem beschäftigt waren, was Sie gerade taten. Vielleicht waren Sie in dem Moment so in ein spannendes Buch vertieft, dass das Radio nur noch ein Hintergrundgeräusch war, dem Sie keine Beachtung schenkten. Genau das versuchen wir zu erreichen, wenn wir unsere Defusionsfähigkeiten üben.

 

 

Nehmen Sie Ihre Gedanken wahr

 

Wie können Sie also das „Katastrophen-Radio“ nutzen, um mit negativen Gedanken und Gefühlen umzugehen?

Sobald ein düsterer Gedanke in Ihrem Kopf auftaucht, sollten Sie sich nicht auf ihn konzentrieren, sondern seine Anwesenheit einfach zur Kenntnis nehmen. Stellen Sie fest, dass die „Katastrophen Show“ wieder einmal läuft, achten Sie darauf was Sie hören bzw. fühlen (z. B. Selbstzweifel oder Unsicherheit), danken Sie Ihrem Kopf und richten Sie Ihre Aufmerksamkeit wieder auf das, was Sie gerade tun. 

Lassen Sie die Gedanken zu einem Hintergrundgeräusch verblassen. Verschwenden Sie keine Energie darauf, Ihre Gedanken zu bekämpfen oder sie zu verdrängen. Benennen Sie sie stattdessen einfach beim Namen („Oh, da ist wieder das Katastrophen-Radio!“), lassen Sie sie wie eine Wolke am Himmel vorbeiziehen und widmen Sie sich dann wieder den Dingen, die Ihnen helfen, ein erfülltes und sinnvolles Leben zu führen.

 

*****

 

Ich verwende diese Metapher häufig mit meinen Klient*innen in meiner Onlineberatung, um ihnen zu helfen, unerwünschte Gedanken und Gefühle zu verstehen und zu bewältigen. Aber jetzt würde ich gerne von Ihnen hören! Ergibt diese Metapher und der Prozess des Umgangs mit negativen Gedanken und Gefühlen für Sie einen Sinn? Was fällt Ihnen auf, wenn Sie sich auf Ihren eigenen Radiosender konzentrieren und haben Sie versucht sich davon zu lösen

 

"Das Katastrophen-Radio

Foto: Nacho Carretero Molero, Unsplash

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