In meinem letzten Blogbeitrag habe ich berichtet, wie so ein Arbeitsalltag als online arbeitende Psychotherapeutin so aussieht. Heute möchte ich einen anderen Aspekt aus dem Alltag einer digitalen Nomadin beleuchten.
Je länger ich unterwegs bin, neue Länder, Kulturen und Sitten kennen lerne, desto verwirrter bin ich in gewisser Hinsicht. Von Aha-Momenten, über frustrierende Details bis zu den kleinen und großen Überraschung ist wirklich alles dabei, wenn man ständig unterwegs ist und viele Dinge, die früher für mich klar und eindeutig waren, sind es für mich heute nicht mehr.

Draußen unterwegs
Andere Länder, andere Sitten gilt ganz besonders im Straßenverkehr. Gerade wenn man einfach mal etwas gedankenverloren unterwegs ist, kann es schnell gefährlich oder doch zumindest unangenehm werden.
Grundsätzlich versuche ich mich viel an Einheimischen zu orientieren, denn jedes Land funktioniert ein bisschen anders – wie geht man über die Straße, einfach drauf los oder bleibt man bei rot tatsächlich stehen? Halten die Autos für einen an oder werde ich vielleicht doch überfahren? Fahren die Autos links oder rechts? Wie ist es mit den Fußgängern? Wohin weicht man aus, wenn einem einer entgegenkommt und auf welcher Seite steht oder geht man auf der Rolltreppe? Wie ist das, wenn man einen vollen Fahrstuhl betritt? Murmelt man eine Begrüßung oder schweigt doch lieber? Augenkontakt, oder nicht? Freundlich lächeln oder stumm aneinander vorbei starren? In einer einzelnen Schlange stehen, während man auf die U-Bahn wartet oder wildes Durcheinander, jeder wie er mag? Muss ich meine Wertsachen möglichst gut verstecken oder darf ich sie auch offen rumliegen lassen und risikiere nichts?
Das sind nur ein paar der Fragen, die sich mir jedes Mal stellen, wenn ich in einem neuen Land ankomme oder auch einfach nur vor die Tür trete.
Aus Versehen die Zeche prellen?
Selbst innerhalb Europas gibt es beim Essen gehen ja durchaus ein paar Unterschiede, ich denke da z. B. an die Extrakosten fürs Gedeck in Italien. Aber eine Sache, die mich besonders verwirrt ist die Frage, wann man eigentlich bezahlt. In Australien ist es z.B. üblich, gleich bei der Bestellung, am Tresen, zu bezahlen. Es hat Monate gedauert, bis ich beim Gehen nicht das Gefühl hatte, ich müsste doch noch zahlen… Als ich dann, nach längerem Aufenthalt in Australien wieder in Europa war, hätte ich mal beinahe das Lokal verlassen, ohne zu zahlen. Seitdem geht es mir gefühlt immer so, dass ich 3x überlege, ob ich schon bezahlt habe oder nicht… Aber auch die Frage, wo man bestellt und wo man denn nun eigentlich bezahlt stellt sich mir regelmäßig. Ich freue mich jedes Mal, wenn es große Zeichen gibt, die auf Selbstbedienung oder die Kasse hindeuten, denn was für Einheimische oft ganz offensichtlich ist, kann für den Touristen oder digitalen Nomaden schnell zur Herausforderung werden. Haben Sie schon mal die Automaten gesehen, die es vor manchen Lokalen in Japan gibt? Die sehen ein bisschen aus wie Zigarettenautomaten, man steckt Geld rein, wählt sein Essen (zum Glück mit Foto!), erhält ein Ticket und geht damit dann zum Koch. Verhungert bin ich noch nirgends, dennoch gehört das Essen gehen immer wieder zu den Herausforderungen im Alltag einer digitalen Nomadin.
Ein paar der anderen Fragen, die sich im Alltag einer digitalen Nomadin erstaunlich häufig stellen: Ist der Preis, der da steht wirklich der Preis, den ich am Ende zahle? Was kommt da noch hinzu? Ist hier Trinkgeld üblich oder eher verpönt? Gibt es ein Menü und wenn ja, kann ich das lesen? Darf man nach dem Essen noch länger am Tisch sitzen bleiben oder sollte man doch lieber gleich gehen? Reicht man das Geld mit beiden Händen oder nur mit der einen, richtigen? Oder mit der einen, während die andere dann die Armbeuge berührt? Wie bitte, soll ich da gleichzeitig meinen Geldbeutel festhalten? Ja, andere Länder, andere Sitten, ganz eindeutig.
Sesam, öffne dich! (oder auch nicht)
Eine Frage: wie schließt man eigentlich eine Tür auf? Noch eines dieser vielen kleinen Dinge, die für mich bis vor ein paar Jahren absolut selbstverständlich waren. Ich konnte links und rechts schon immer gut unterscheiden. Aber plötzlich soll ich den Schlüssel andersrum drehen? Oder manchmal sogar hin und zurück und dann erst öffnet sich die Tür? Diese Frage verwirrt mich inzwischen so sehr, dass ich mich freue, wenn es statt einem Schlüssel eine Keycard gibt, so wie im Hotel. Da hält man die Karte einfach vor das Lesegerät und schon öffnet sich die Tür (mit etwas Glück). Meinen Fingerabdruck zum Tür öffnen verwenden fand ich dafür allerdings doch etwas gruselig, aber auch das habe ich schon erlebt.
Das Badezimmer – ein Wissenschaft für sich?
Ein weiteres Thema nicht nur in Japan wo ich dies hier gerade schreibe: wie funktioniert das mit der Toilette eigentlich? Auch nichts, über das ich mir früher viele Gedanken gemacht habe. Jetzt ist eines der ersten Dinge, das ich in jedem Land recherchiere die Frage, ob man Klopapier herunterspülen darf oder ob Klopapier hier überhaupt verwendet wird und wie die jeweilige Alternative vor Ort aussieht. Kaum habe ich mich dann daran gewöhnt, bin ich wieder in einem Land in dem alles anders funktioniert… Oh, der Sitz ist ja beheizt, auch mal was anderes. Eigentlich wollte ich ja jetzt nur spülen… Aber welchen der vielen Knöpfe muss ich dafür wohl drücken (ob Google Translate da wohl weiterhilft?) oder geht es veilleicht doch einfach automatisch? Moment, das sieht aus als könnte es ein Sensor sein, ich wedel mal mit der Hand etwas herum, vielleicht habe ich ja Glück.
Wenn wir gerade schon im Bad sind… Gibt es eine gesonderte Dusche oder duscht man doch eher direkt über der Toilette? Welche Badeschlappen gibt es, die natürlich auch nur dort verwendet werden dürfen? Warmwasser oder doch eher kalt? Vor allem aber, wo stelle ich das Warmwasser an? Raten Sie mal, wie oft ich in Malaysia schon unter der Dusche stand bevor mir einfiel, dass der Schalter draußen im Flur ist…
Einkaufen leicht gemacht?
Einkaufen ist in vielen Ländern sehr viel leichter als in Deutschland, denn es gibt fast überall einen Supermarkt um die Ecke, der rund um die Uhr oder zumindest sehr lang und jeden Tag geöffnet ist. Haben Sie schonmal versucht einem Ausländer zu erkären, dass man bei uns sonntags nicht einkaufen geht? Auf Reisen lohnt sich dennoch ein regelmäßiger Blick in die örtlichen Feiertage, die erklären dann auch, warum der sonst so leere Supermarkt heute so unglaublich voll ist. Das ein oder andere Mal musste ich auch schon mit ziemlich leerem Kühlschrank ausharren, weil ich einfach übersehen hatte, das hier und heute nichts geht.
Aber auch die Frage, wo man was kauft ist nicht mehr so selbstverständlich wie früher. Kann man Medikamente nur in der Apotheke kaufen oder doch auch im Supermarkt? Gibt es so etwas wie Drogeriemärkte oder wo bekomme ich meine Kontaktlinsenflüssigkeit sonst eigentlich her? Kann ich Alkohol überall und jederzeit kaufen oder nur in Spezialgeschäften oder gar nur zu bestimmten Tageszeiten?
Ganz ähnlich auch die Frage, wann Cafés und Restaurants wohl geöffnet haben? Noch konnte mir keiner so wirklich erklären, warum es in Australien z.B. absolut üblich ist, dass Cafés schon um 15 Uhr schließen. Genau da hätte ich doch gerne den Kaffee, oder nicht? Hier in Japan muss man sich dafür beim Mittagessen beeilen, viele Restaurants haben nur von 12 bis 14 Uhr geöffnet, während in anderen Ländern ein Abendessen vor 20 Uhr undenkbar ist. Oft spiegeln die Öffnungszeiten natürlich die allgemeinen Werte und Sitten der jeweiligen Länder wider, was ich grundsätzlich sehr schön finde. Für den Alltag einer digitalen Nomadin heißt es aber vor allem, dass man sich regelmäßig anpassen und umgewöhnen muss. Oder eben doch zu Hause kochen und Kaffee trinken, wann und wie ich will.
Die kleinen aber feinen Unterschiede
Meistens erlebe ich diese kleinen Unterschiede als unglaublich spannend und bereichernd, manchmal ärgere ich mich einfach wieder nur darüber, dass ich Tür schon wieder nicht aufgeschlossen bekomme oder das Wasser heiß statt kalt ist, weil ich mir einfach nicht merken kann, in welche Richtung ich den Hahn diese Woche wohl drehen muss. Vor allem aber machen mir diese kleinen Dinge immer wieder bewusst, für wie selbstverständlich ich vieles früher gehalten habe. Ja, Reisen öffnet den Horizont, ganz eindeutig – und manchmal auch die Tür.
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Kennen Sie solche Momente der Verwirrung selber? Ich freue mich auf Ihre Kommentare und hoffe, ich konnte Ihnen auch heute wieder einen etwas authentischeren Einblick in den Alltag einer digitalen Nomadin und online Psychologin geben. Denn nein, es dreht sich wirklich nicht alles nur ums Arbeiten am Strand.

Hahahahaha! Ich habe laut gelacht beim Lesen. Sie sprechen mir aus dem Herzen. Genauso fühle ich mich seit 4 Monaten. Ich bin gerade auf Weltreise.
Vorallem die japanische Toiletten sind immer für eine Überraschung gut. 😀
das freut mich! Ist doch immer wieder spannend, was man alles so entdeckt und was einen alles so überrascht beim Reisen… Eine gute Reise noch!