Hat Ihnen schon einmal jemand gesagt, Sie hätten Bindungsprobleme? In den letzten Jahren kommen immer mehr Klient*innen zu mir und bitten mich um psychologische Beratung zu Beziehungs- und Bindungsfragen. Das Thema “Beziehungsprobleme” ist zwar sehr umfangreich, aber dennoch relativ leicht zu verstehen. “Bindung” hingegen ist ein Konzept, über das zwar häufig gesprochen wird, das aber oftmals missverstanden oder falsch verwendet wird. Deshalb möchte ich heute mal etwas genauer erklären, was wir eigentlich meinen, wenn wir über Bindungstheorie sprechen, und wie sie uns dabei helfen kann, unsere Beziehungen zu verstehen und zu verbessern.
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Die Bindungstheorie wurde ursprünglich auf der Grundlage von Beobachtungen an Kindern entwickelt, aber dann wurde festgestellt, dass sie ebenso die Bindungsmuster von Erwachsenen erklären kann. Heute gilt sie als einer der wichtigsten Ansätze, um Verhaltensmuster in Beziehungen zu erkennen und zu erklären.
Wir Menschen sind grundsätzlich sozial und der Wunsch nach Bindung ist fest in uns verankert. Unsere ersten Bezugspersonen sind meist unsere Eltern. Diese primären Beziehungen beeinflussen, wie wir später mit Freund*innen, Kolleg*innen und Liebespartner*innen umgehen, wobei letztere Kategorie besonders bedeutsam ist. Die frühesten Interaktionen und Reaktionen unserer ersten Bezugspersonen prägen die verschiedenen Bindungsmuster, die wir entwickeln. Diese Muster können entweder förderlich oder hinderlich für unsere späteren Beziehungen sein.
Arten von Bindungsmustern
Unsere Bindungsmuster, also die Art und Weise, wie wir uns auf andere Menschen einlassen, können in drei zentrale Kategorien eingeteilt werden, die unsere Anlagen grob beschreiben. Der ängstliche Bindungsstil bezieht sich auf ein Muster, bei dem Menschen dazu neigen, sich Sorgen über ihre Beziehung zu machen und sich fragen, ob sie auch wirklich geliebt werden. Menschen mit einem ängstlichen Bindungsstil neigen dazu, bedürftiger zu erscheinen und sich häufig Bestätigung bei ihren Partner*innen einzuholen. Ein ängstlicher Bindungstyp, geht häufig auf negative Beziehungserfahrungen mit den primären Bezugspersonen in der Kindheit zurück, zum Beispiel durch inkonsequentes Verhalten oder Abwesenheit der Eltern.
Vermeidende Bindungstypen neigen dazu, sich in ihren Beziehungen distanziert und unbeteiligt zu zeigen. Sie legen großen Wert auf ihre Unabhängigkeit, wirken jedoch oft unnahbar und emotional distanziert. Vermeidende Partner*innen neigen dazu, sich bei den ersten Anzeichen von Problemen zurückzuziehen und können Menschen von sich stoßen, wenn sie in der Beziehung unsicher sind. Der vermeidende Beziehungsstil wird durch abwesende, vernachlässigende oder wenig auf körperliche und emotionale Bedürfnisse des Kindes eingehende Bezugspersonen geformt.
Der sichere Bindungsstil ist der günstigste, da diese Beziehungstypen ein gesundes Vertrauen in ihre Beziehungen haben. Menschen mit einem sicheren Stil neigen dazu, sich in ihren Beziehungen wohl zu fühlen und Liebe zu geben und zu empfangen. Sie können sich verletzlich zeigen und sich auf andere einlassen, können aber auch mit Distanz umgehen und Ungewissheit tolerieren. Dies ist der günstigste Bindungsstil, weil er ein gutes Gleichgewicht und ein hohes Maß an Zufriedenheit ermöglicht. Er wird von Bezugspersonen geprägt, die in angemessener Weise auf die körperlichen und emotionalen Bedürfnisse des Kindes eingehen.
Untersuchungen zu Bindungsmustern
Studien zum Thema Bindung wurden zunächst mit kleinen Kindern durchgeführt. Mary Ainsworth und John Bowlby, die die ursprüngliche Theorie des Konzepts aufstellten, beobachteten Säuglinge und versuchten herauszufinden, wie sich Kinder in Abwesenheit einer Bezugsperson verhalten. Kinder wurden in einer für sie unbekannten Umgebung kurzzeitig von ihrer Mutter getrennt und dann beobachtete das Forscherteam, wie die Kinder auf die Abwesenheit und die Rückkehr der Mutter reagierten. Die Muster, die sie beobachteten, fielen im Wesentlichen unter die drei oben beschriebenen zentralen Kategorien. Einige Kinder waren sehr aufgeregt, ließen sich aber durch die Rückkehr der Bezugsperson schnell beruhigen (sichere Bindung). Andere schienen sich nicht darum zu kümmern, zeigten aber in weiteren Untersuchungen ein extrem hohes Stressniveau, das durch die Rückkehr der Betreuungsperson nicht gemildert wurde (vermeidend). Einige waren sowohl während der Abwesenheit, aber auch nach der Rückkehr der Betreuungsperson aufgeregt (ängstliche Typen). Bei weiteren Untersuchungen stellte das Forscherteam fest, dass Erwachsene ähnliche Verhaltensmuster zeigten, wenn auch auf differenziertere Weise.
Spätere Untersuchungen kamen zu dem Ergebnis, dass es neben diesen 3 zentralen Bindungsstilen auch einen vierten, den desorganisierten Stil gibt. Der desorganisierte Bindungsstil ist geprägt durch traumatische Erfahrungen in der Kindheit, die zu einer unorganisierten, inkonsistenten und verwirrten Bindungsbeziehung führen können. Menschen mit diesem Bindungsstil zeigen oft widersprüchliches Verhalten und können Schwierigkeiten haben, ihre Emotionen zu regulieren oder angemessen auf Stress zu reagieren.
Warum ist es wichtig, den eigenen Bindungsstil zu verstehen?
Ihr Bindungstyp kann erklären, warum bestimmte Probleme in ihren Beziehungen immer wieder auftreten und sich auch bei wechselnden Partner*innen wiederholen. Er kann auch das Verhalten Ihrer Partnerin oder Ihres Partners erklären, wie zum Beispiel ein plötzliches Bedürfnis nach Bestätigung oder Zurückhaltung eine Beziehung einzugehen. Darüber hinaus gibt uns dieses Wissen auch die Möglichkeit, Lösungen für diese Probleme zu finden.
Wenn Sie herausfinden möchten, welcher Bindungsstil in Ihrer Beziehung vorherrscht, finden Sie hier ein hilfreiches Quiz, das Ihnen den Einstieg erleichtert: Compatibility-Quiz (auf Englisch).
Darüber hinaus haben die Beziehungsstile weitere Nuancen. Sie könnten davon profitieren, eine spezielle Verhaltensstrategie mit einem Partner oder einer Partnerin mit einem bestimmten Bindungsstil zu wählen, Verhaltensweisen zu ändern, die Ihre Beziehung belasten und auf gezielte Weise zu kommunizieren. Um mehr über Bindungsstile zu erfahren und zu lernen, wie Sie diese direkt auf Ihre Beziehung anwenden können, empfehle ich Ihnen das Buch Warum wir uns immer in den Falschen verlieben (Original: Attached: The Book)
Die Bindungstheorie kann ein wertvoller Ansatz sein, um Ihre Beziehungen zu verbessern. Wir wissen, dass Bindungsfähigkeit von Geburt an fest in unserem Gehirn verankert ist, aber unser Umfeld kann die Art und Weise, wie wir Beziehungen aufbauen (negativ) beeinflussen. Wenn wir die Bindungstheorie eingehend verstehen, kann dies uns dabei helfen, unsere sozialen und romantischen Bindungen glücklicher und erfüllter zu gestalten.
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Welcher ist Ihr Bindungsstil, und inwiefern hat Ihnen das Herausfinden dieses Stils dabei geholfen, Ihre eigene Beziehung zu verbessern? Melden Sie sich für meinen Newsletter an, um regelmäßig Informationen zu weiteren psychologischen Themen zu erhalten.
Photo: Priscilla Du Preez, Unsplash