Wir alle verfügen über eine große Anzahl von Gedanken- und Verhaltensmuster, die uns jedoch nicht immer dienlich sind. Ein Verhalten oder ein Gedanke, der zu einem früheren Zeitpunkt hilfreich gewesen sein kann, empfinden wir heute eventuell als störend. Es fällt uns jedoch oft schwer solche eingefahrenen Muster zu verändern. Das Gedicht über das Loch in der Straße spiegelt diesen Prozess wider. Es zeigt, dass eine Verhaltensänderung meist nicht von heute auf morgen erfolgt, sondern Zeit benötigt. Wir müssen uns der Situation, unserer dysfunktionalen Gedanken– und Verhaltensmuster zunächst bewusst werden und im Anschluss alternative Gedanken und Verhalten erarbeiten und einüben, bis wir in der Lage sind einen anderen Weg zu gehen. Auch das Thema der Schuldzuweisung wird in dem Gedicht aufgegriffen. Wir neigen oft dazu anderen die Schuld für unser Situation, für unser Unglück zuzuweisen. Auch wenn möglicherweise andere zu unserer Situation beigetragen haben, ist eine Schuldzuweisung meist wenig zielführend. Wir können andere nicht ändern, wir können nur uns selbst, unsere Gedanken und Verhaltensweisen verändern.
Edan Cohen, Unsplash
Das Gedicht mit dem Titel „Autobiography in Five Chapters“ stammt von der amerikanischen Sängerin, Schauspielerin und Autorin, Portia Nelson:
I
Ich gehe eine Straße entlang.
Da ist ein tiefes Loch im Bürgersteig.
Ich falle hinein.
Ich bin verloren.
Ich bin ohne Hoffnung.
Es ist nicht meine Schuld.
Es dauert endlos, wieder hinauszukommen.
II
Ich gehe dieselbe Straße entlang.
Da ist ein tiefes Loch im Bürgersteig.
Ich tue so als sähe ich es nicht.
Ich falle wieder hinein.
Ich kann nicht glauben, schon wieder am gleichen Ort zu sein.
Aber es ist nicht meine Schuld.
Immer noch dauert es sehr lange herauszukommen.
III
Ich gehe dieselbe Straße entlang.
Da ist ein tiefes Loch im Bürgersteig.
Ich sehe es.
Ich falle schon wieder hinein… aus Gewohnheit.
Meine Augen sind offen. Ich weiß, wo ich bin.
Es ist meine Schuld.
Ich komme sofort wieder heraus.
IV
Ich gehe dieselbe Straße entlang.
Da ist ein tiefes Loch im Bürgersteig.
Ich gehe darum herum.
V
Ich gehe eine andere Straße entlang.
Kommt Ihnen das vertraut vor? Neigen auch Sie dazu, immer wieder in dasselbe Loch zu fallen? In meiner Arbeit als Online Therapeutin verwende ich immer wieder gerne solche Geschichten, Metaphern und Gedichte, um bestimmte Inhalte zu verdeutlichen, denn manchmal sagt ein Gedicht eben mehr als tausend Worte.
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Das Gedicht ist von Nyoshul Khenpos aus dem Buch „Das Tibetische Buch vom Leben und vom Sterben“ , von Sogyal Rinpoche.
Sorry, aber Quellen zur Lebenshilfe müssen ordentlich recherchiert sein.
Herzliche Grüsse
Monika Kühne
Liebe Monika, vielen Dank für den Kommentar und es stimmt, Sogyal Rinpoche hat das Gedicht zitiert, das Original stammt aber, soweit ich es recherchieren konnte, aus den 70er Jahren von Portia Nelson. Hast du dazu vielleicht noch mehr Hintergrundinformationen? Ich habe gerade nochmal kurz nachgeschaut und nichts Neues finden können, was darauf hindeuten könnte, dass Sogyal Rinpoche (bzw. Nyoshul Khenpos) doch der Originalautor sein könnte (dessen Buch wurde knapp 20 Jahre nach der 1. Veröffentlichung des Gedichtes durch Nelson veröffentlicht).