
In meinen letzten beiden Blogartikeln ging es um ein Beziehungsmodell, das gerade unter digitalen Nomaden besonders häufig vorkommt: die Beziehung rund um die Uhr. Also 2 Menschen, die gemeinsam auf Weltreise gehen, meist online selbständig tätig sind und somit schon nach einigen Monaten netto mehr Zeit zusammen verbracht haben als andere Paare nach Jahren. Im zweiten Teil gab es ein paar ganz konkrete Tipps, wie eine Beziehung unter solchen Umständen funktionieren kann.
Die typische Expat-Familie
Wie so oft auf diesem Blog, war der Hintergrund für diese Artikel meine Arbeit mit einigen (nomadischen) Klienten. Noch häufiger allerdings arbeite ich mit Expats zusammen, also Menschen, die meist für einige Jahre fest an einem Ort im Ausland leben und arbeiten. Bei diesen Klienten gibt es eine andere Form der Beziehung, die einerseits häufig vorkommt und andererseits auch besonders häufig zu Konflikten führt: die (unfreiwillige) klassische Rollenverteilung.
Oft ist nur einer von beiden Berufstätigkeit, der andere darf oder kann vor Ort nicht arbeiten und kümmert sich entsprechend um Haus und Kinder. Auch das ist nicht gerade einfach für eine Beziehung. Zusätzlich zu der klassischen Rollenverteilung, die es ja auch sonst häufiger gibt, kommt bei Expat-Familien häufig noch hinzu, dass die Arbeitslosigkeit des Partners nicht immer freiwillig erfolgt. Die Freunde und Familie sind weit weg, ein soziales Netz aufbauen, das dauert und die Karriere muss pausieren, solange die Familie im Ausland ist. Auch wenn dies damals gemeinsam so entschieden wurde, leicht ist es in den seltensten Fällen.
Fallbeispiel aus meiner Beratung mit Expats
Genau so erging es auch einer anderen Klientin von mir. Sie fand die Idee ins Ausland zu gehen damals sehr schön. Ihr Mann hatte ein tolles Jobangebot in einem Land, das sie schon immer faszinierend und spannend fand. Sie war sogar die treibende Kraft, er hatte damals mehr Bedenken. Das erste Kind war sehr klein, das zweite folgte bald. Die Familie zog um, er nahm den neuen Job an. Sie stürzte sich voll und ganz in die neue Aufgaben, die Kinder und das Haus. Aber inzwischen sind die Kinder ein wenig älter und selbständiger, die Familie immer noch im Ausland, der Mann hat Karriere gemacht, nach dem ersten Job kam das nächste, noch bessere Angebot. Entsprechend wenig ist er zu Hause. Ja, und das so spannende und faszinierende Land? Es hat sich als viel komplizierter herausgestellt als erwartet. Als weniger offen und gastfreundlich, als „fremder“. Klar, es ist leicht mit dem Nachbarn ins Gespräch zu kommen. Aber wirkliche Freundschaften? Jemand der sie versteht? Fehlanzeige. All dies trägt nicht gerade dazu bei, dass die Beziehung besser läuft, ganz im Gegenteil. Er kommt müde und erschöpft von der Arbeit, sie freut sich darauf endlich mit einem Erwachsenen zu reden und Zeit mit ihrem Mann zu verbringen. So oder so ähnlich kennen das viele Familien. Aber wenn man als Expat-Familie im Ausland lebt, ohne gute soziale Anbindung, Gemeinschaft, Familie und Freunde, dann wird aus dieser Herausforderung, gleich eine noch viel größere. Nicht selten ist genau das dann auch der Grund, warum diese Menschen sich bei mir melden.
Oft kommen noch andere Problem hinzu, es haben sich depressive Symptome oder Ängste entwickelt, der Kontakt zur Familie zu Hause ist schwierig („was beschwerst du dich? Du hast doch ein großes Haus, Geld, zwei tolle Kinder, was willst du mehr?) oder die Paarkonflikte sind so eskaliert, das kaum ein vernünftiges Gespräch mehr möglich ist.
Expat-Familien in der Krise – und nun?
Zunächst einmal geht es oft darum eine Bestandsaufnahme der Situation zu machen. Dann geht es darum, in kleinen Schritten, ganz konkrete Veränderungen herbei zu führen. Dazu können neue Hobbies gehören, der Aufbau oder die Stärkung des sozialen Netzes, die Stärkung des Selbstwertgefühls oder die Bearbeitung der anderen psychischen Symptome. Fast immer gehören auch Gespräche mit dem Partner dazu. Manchmal geht es darum die Rollen zumindest ein wenig neu zu verteilen, manchmal darum, gemeinsame Abende ohne Arbeit, Fernseher und Kinder zu planen und ja, manchmal geht es darum, das Lebensmodell zu hinterfragen und nach ganz neuen Lösungen zu suchen.
Es gibt kein Patentrezept, jede Situation ist anders. Aber ein Gespräch mit einem neutralen Außenstehenden, mit einem Therapeuten, der mit den Problemen und dem Alltag eines Expats vertraut ist, kann ein guter Anfang sein.
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Geht es Ihnen vielleicht genau so und Sie fragen sich, ob es Zeit wird, etwas zu ändern? Dann melden Sie sich bei mir. Ich helfe auch Ihnen gerne weiter!