Wie vielen Frauen ist Ihnen das Gefühl von physischer und mentaler Erschöpfung bestimmt nicht unbekannt. Fühlen Sie sich jedoch dauerhaft mental überwältigt mit all den Verpflichtungen, denen Sie nachkommen müssen, könnte es sich um das Phänomen Mental Load handeln. Was das ist und wie man dem am besten entgegenwirkt, möchte ich in diesem Artikel mit Ihnen teilen.
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Was genau ist Mental Load?
Als Mental Load bezeichnet man die mentale Erschöpfung, die entsteht, wenn die Familien- und Haushaltsorganisation nur auf einem Partner liegt. In heterosexuellen Beziehungen ist dieser Partner meist die weibliche Person. Wecken der Kinder, Frühstück zubereiten, Wäsche waschen, einkaufen gehen, kochen, Freizeittermine der Kinder organisieren u.v.m sind Dinge, für die sich oft Frauen verantwortlich fühlen. Gerade diese unbezahlte und sozial wenig wertgeschätzte Arbeit im Haushalt und mit Kindern kann große mentale und gesundheitliche Probleme mit sich führen. Nicht selten kommt es bei Personen mit hoher Mental Load zu einem Erschöpfungszustand – Burnout. Laut des Gleichstellungsberichtes der Bundesregierung verbrachten Frauen in den Jahren 2012 und 2013 anderthalb Mal so viel unbezahlte Care-Arbeit als Männer. Care-Arbeit beschreibt die Tätigkeit des Sorgens und Sichkümmerns und bezieht sich vor allem auf Dinge wie die Kindererziehung und -betreuung, Pflege von Angehörigen, Hausarbeit und ehrenamtliche Tätigkeiten. Oft kommt da noch ein Teilzeit- oder Vollzeitjob hinzu.
Die französische Illustratorin Emma Clit stellt in ihrem sehr bekannten Comic „You should have asked“ sowie in der neuesten Geschichte “Where does it go?” das Konzept des Mental Loads sehr treffend dar.
Ein möglicher Ursprung von Mental Load
Doch woher kommt das? Warum ist es so üblich, dass Frauen sich mit all diesen Verantwortungen überladen? Tun Frauen das bewusst und freiwillig? Ist es eine Frage der Biologie oder vielleicht doch vielmehr der Sozialisation? Auch wenn es heute selbstverständlich erscheint, dass Frauen Arbeiten, Wählen, Konten eröffnen und noch viel mehr “dürfen” und auch tun, so ist es doch nach wie vor so, dass wir in einer Gesellschaft mit tief sitzenden patriarchalen Strukturen leben, die uns von früh an prägen.
Oder, wie meinte kürzlich eine Freundin von mir: “egal wie emanzipiert, gleichberechtigt und modern wir in meiner Familie auch sein mögen – am Ende stehen doch immer die Frauen auf, um den Tisch abzuräumen bei großen Familienfeiern.”
Denken Sie einmal zurück an Ihr eigenes Elternhaus: Wie sind Sie aufgewachsen? Welcher Elternteil hat sich bei Ihnen zuhause um den Haushalt gekümmert und wer hat das Geld verdient? Welche Bücher, Serien und Filme haben Sie geprägt? Was wurde Ihnen dort vermittelt? Vielen von uns wurde von klein auf eine klassische Rollenverteilung vorgelebt und somit erscheint es oft völlig normal diese weiterzuführen ohne sie zu hinterfragen.
Diese jahrhunderte alten patriarchalischen Strukturen sollten in unserer heutigen modernen Gesellschaft keine große Rolle mehr spielen und dennoch wird weiblichen Personen nach wie vor vermittelt, dass sie schlicht besser geeignet sind sich um Familie und Haushalt zu kümmern. Unsere Gesellschaft sozialisiert Frauen (und natürlich entsprechend auch die Männer!) so, dass Frauen sich automatisch für die Care-Arbeit verantwortlich fühlen und diese „freiwillig” übernehmen.
Mentale Erschöpfung reduzieren. Aber wie?
Um Ihre Gesundheit zu schützen, ist es sehr wichtig, dass Sie die Menge an Mental Load, die Sie empfinden, nachhaltig reduzieren. Hier sind drei Möglichkeiten, dies zu tun:
Kommunikation ist das A&O
Nur wenn Ihr Partner weiß, wie es Ihnen geht, kann sich etwas ändern. Bei jeder Art von Konfrontation ist es gut, sie in „Ich“-Sätze zu verpacken. Anstelle von „Du hilfst mir zu wenig im Haushalt“, ist es oft besser, etwas wie „Ich wünsche mir mehr Hilfe” oder besser noch „Ich wünsche mir, dass wir bestimmte Aufgaben besser untereinander aufteilen“ zu sagen. Am vorteilhaftesten wäre es nämlich, auf das Wort „Hilfe” komplett zu verzichten. „Hilfe” suggeriert, dass die Haushaltsarbeit tatsächlich Verantwortung einer Person ist, während die andere Person nur mal „aushilft”.
Zusammentragen von allen Familienaufgaben
Setzen Sie sich zusammen und schreiben Sie jede Familien- und Haushaltsaufgabe auf, denen Sie sich jede Woche widmen. Nehmen Sie jede Kleinigkeit auf, auch wenn sie doch so belanglos erscheint. Besonders die Anhäufung von diesen vielen Kleinigkeiten, ist es, was zu Mental Load führt. Vielleicht lernen Sie dabei auch, dass Ihr Partner oder Ihre Partnerin Dinge übernimmt, die Ihnen gar nicht auffallen. Wichtig ist auch, dass die Aufgaben, die übernommen werden, zeitlich und vom Energieaufwand gleichwertig sind. Das Auto einmal alle paar Monate zur Inspektion in die Werkstatt bringen ist zum Beispiel nicht gleichzusetzen mit jeden Tag das Geschirr zu spülen. Nach Zusammentragen aller Aufgaben sollten sie diese gemeinsam durchgehen und ggf. eine neue Aufgabenteilung, mit der sich alle wohlfühlen, generieren.
Verantwortung und Vertrauen
Wichtig ist, dass der/die Partner*in von sich aus die (neu erworbenen) Aufgaben erledigt und nicht erinnert oder “ermahnt” werden muss. Sonst bringt eine Aufgabenumverteilung leider recht wenig. Mentale Erschöpfung kann nur reduziert werden, wenn man das Gefühl hat, man kann Verantwortung abgeben und geistig loslassen. Gleichzeitig sollte man sich bewusst machen, dass der oder die Partner*in die abgegebenen Aufgaben eventuell anders ausführt als man es selber tun würde. Vertrauen Sie den Fähigkeiten Ihres Partners und akzeptieren Sie, dass es nicht nur den einen richtigen Weg gibt und Dinge auch mal anders erledigt werden können. Wichtig ist, dass Vertrauen herrscht, dass die übertragenen Aufgaben auch tatsächlich ausgeführt werden.
Weitere Unterstützungsmöglichkeiten nutzen
Gemeinsame Familienkalender und verschiedene Tools wie z.B. Trello können sehr hilfreich sein, um den Überblick an Aufgaben nicht zu verlieren. Trello ist eigentlich ein Projektmanagementtool, aber kann in der Aufgabenverteilung im Haushalt genauso nützlich sein. Dort können Sie Aufgaben dann gemeinsam auf zwei verschiedenen Geräten betrachten und von „zu tun“ auf „gerade dabei“ oder „erledigt“ verschieben. Auch Apps, die die Aufgabenverteilung “gamifizieren” sind sehr beliebt. Da gibt es zum Beispiel Nipto, das durch spielerischen Umgang mit To-Dos dazu beiträgt, dass plötzlich alle gerne das Geschirr spülen.
Wenn Sie sich nun um die Umsetzung der o.g. Schritte bemühen und dabei feststellen, dass es Ihnen schwer fällt, Kontrolle abzugeben, dann sind Sie damit nicht alleine. Viele meiner Klient*innen, mit denen ich dieses Thema bespreche, stellen fest, dass oft noch mehr dahintersteckt, gerade wenn es um Themen wie Verantwortung und Kontrolle geht. Oft lohnt es sich, genauer hinzuschauen, was da möglicherweise noch dahintersteckt, vielleicht ja auch mit professioneller Unterstützung von außen?
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Kommt Ihnen diese Art der Erschöpfung bekannt vor? Wie gehen Sie damit um, wenn Ihnen alles zu viel wird?
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