sonntags offline

 

Dass ich oft zum Handy greife, das war mir schon bewusst. Aber wie oft, das ist mir erst so richtig bewusst geworden, als ich angefangen habe, mein Handy mal gezielt auszuschalten. Nicht nur für ein paar Stunden, sondern einen ganzen Tag lang und das nicht nur einmal, sondern jede Woche.

Seit 6 Monaten heißt es bei mir: Sonntags offline. D.h. von Samstagabend bis Montagmorgen bleibt mein Handy aus und der Laptop auch. Zumindest in der Theorie, denn ein paar Ausnahmen gab es über die Monate dann doch immer mal wieder. Aber dazu später mehr.

Was als kleiner Selbstversuch begann ist inzwischen zum wichtigen Ritual geworden. Auch oder gerade weil es in den letzten Wochen wieder weniger gut geklappt hat, wurde es Zeit, Bilanz zu ziehen.

 

 

Erschreckende Erkenntnisse und neue Gewohnheiten

Die ersten Wochen war ich streng mit mir selbst und meinem offline Sonntag. Ich habe mein Handy sogar richtig ausgeschaltet, da die Versuchung, das Wlan doch mal kurz einzuschalten, einfach zu groß war. Auch das, eine der erschreckenden Erkenntnisse: wie sehr der Gedanke, dass ich vielleicht doch etwas Wichtiges verpasse, mich am Anfang beschäftigt hat. Wie oft ich, ganz automatisch, zum Telefon greifen wollte. Nur mal schnell…

Mit der Zeit war ich dann in der Lage, das Internet zwar auszuschalten, aber das Telefon anzulassen. So war ich für meine Familie erreichbar, was in der Zeit auch ganz praktisch war. Aber eben so ganz klassisch über das Telefon, nicht über das Internet. So konnte ich einen Anruf erhalten, ohne gleich in den Untiefen des Internets zu verschwinden. Ich kann inzwischen auch mein Telefon wieder mit mir herumtragen und weiterhin als Kamera verwenden, ohne in Versuchung zu geraten, die Bilder gleich zu verschicken oder irgendwo zu posten.

 

Aber warum überhaupt sonntags offline?

Muss ich diese Frage überhaupt beantworten? Ist uns nicht allen klar, dass es auch mal gut tut, nicht ständig erreichbar zu sein, nicht in jeder kurzen Pause Emails zu checken oder bei Facebook oder Instagram vorbei zu schauen? Einfach mal verrückt sein, und das Handy zu Hause lassen, wenn man schnell mal zum Supermarkt geht? Oder zumindest alle Benachrichtigungen und Töne auszuschalten, während wir arbeiten, uns mit Freunden treffen oder einfach unserm Alltag nachgehen?

Beim Reisen ist es mir immer wieder aufgefallen. Sei es aufgrund von Zeitverschiebungen oder aufgrund fehlender mobiler Daten auf dem Handy: das Leben ist unglaublich entspannt, wenn man nicht ständig erreichbar ist. Es ist auch gar nicht schlimm, Arbeitsemails nicht auf dem Handy zu empfangen und auch einfach mal erst am nächsten Tag zu antworten. Facebook habe ich z.B. auch schon seit Monaten nicht mehr auf dem Handy und ich habe es auch noch nicht wirklich vermisst. Immer wieder habe ich mein Handy für Stunden ausgeschaltet oder auch mal zu Hause gelassen, wenn ich unterwegs war.

Aber ich wollte mehr…

Ich wollte mehr als nur immer mal ein paar Stunden offline sein oder keine sozialen Medien nutzen. Ich wollte herausfinden, wie es sich anfühlt, so richtig offline zu sein. Es bedeutet ja nicht nur, dass ich nicht so einfach erreichbar bin, es bedeutet vor allem auch, dass ich nicht mal schnell etwas googeln kann, Nachrichten lesen oder herausfinden kann, wann der nächste Bus fährt.

 

Was ich gelernt habe in 6 Monaten sonntags offline

Meine Offlinesonntage haben mich vor allem drei Dinge geleert:

 

1. Es passiert einfach gar nichts, wenn man mal einen Tag nicht da ist.

Den allermeisten Menschen fällt es nicht einmal auf, wenn man es Ihnen nicht vorher auf die Nase bindet. Ja, ein paar Nachrichten erhält man später, ein paar lustige Beiträge auf sozialen Medien sieht man mit Verzögerung. Aber so wirklich wichtiges habe ich in den ganzen Monaten eigentlich nie verpasst.

Das einzige Ärgerliche, was mir passiert ist: ich bin zweimal Montags unnötig früh aufgestanden, da ich Terminabsagen meiner ersten Klienten verpasst habe bzw. eben erst am Montag gelesen habe. Zwei Mal in 6 Monaten. Dafür lohnt es sich wirklich nicht, Sonntags Arbeitsemails zu lesen. Was sich eher lohnt: Klienten, die häufiger mal kurzfristig absagen müssen, einfach nicht für Montagfrüh einplanen. Auch das einer der vielen Vorteile der Selbstständigkeit, ich kann meine Termine selber bestimmen.

 

2. Offline sein spart Zeit, viel Zeit

Meine Haupterkenntnis aus 6 Monaten sonntags offline: die Tage sind unglaublich lang, wenn man nicht online ist (und nicht arbeitet).

Keine Emails, kein Facebook, kein Youtube. Nichts, worin man einfach mal für ein paar Minuten hingeht und Stunden später erst wieder auftaucht. Gefühlt ist der Sonntag inzwischen für mich der längste Tag der Woche. Ich habe mich sogar schon dabei ertappt, dass ich unter der Woche so Dinge denke wie: „das mache ich dann Sonntag, da habe ich Zeit“.

Was eigentlich total absurd ist, denn ich habe natürlich auch an anderen Tagen Zeit. Ich arbeite im Schnitt etwa 30 Stunden die Woche. Ich schlafe etwa 9 Stunden pro Nacht. Da sollte eigentlich auchunter der Woche viel Zeit bleiben für andere Dinge, oder? Dennoch ging es mir immer wieder so. Ich habe Sonntags einfach viel mehr gemacht. Ich war länger draußen, habe viel mehr gelesen, mehr Yoga gemacht, mehr gespielt, mehr gekocht und die Zeit viel mehr genossen.

 

3. Mein Handy ist so viel mehr als nur ein Kommunikationsmittel

Es gab ein paar Momente, in denen mir das Internet wirklich gefehlt hat und ich in Versuchung geraten bin:

  • Den Weg in einer fremden Stadt finden. Ich habe gelernt, einfach schon samstags zu klären, wo ich sonntags hin muss. Zur Not gibt es in den meisten Städten auch Stadtpläne an den Bushaltestellen oder auf Papier.
  • Ein Rezept heraussuchen. Auch hier, mit etwas Vorausplanung lässt sich das leicht lösen. Zur Not einfach mal nach Gefühl kochen (oder den Partner bitten es mal schnell nachzuschlagen, aber psst…)
  • Ein neues Buch herunterladen, weil ich mit dem anderen schneller durch war als gedacht.
  • Dinge nachschlagen, die mir spontan einfielen. Auch dafür gibt es eine einfache Lösung: Aufschreiben. Wenn es mich am Montag immer noch interessiert, dann am Montag danach suchen.
  • Mich mit Freunden verabreden. Mit etwas Verbindlichkeit klappt auch das. Ging doch früher auch, oder? Ich muss auch gar nicht wissen, dass jemand in 5 Minuten da ist, ich kann einfach warten und die Passanten betrachten oder schon mal die Speisekarte studieren.

Dieser letzte Grund, das Verabreden mit Freunden, war allerdings eindeutig einer der häufigsten Gründe, warum ich dann doch mal online war, an einem Sonntag. Entweder weil ich die Freunde nicht informiert hatte, dass ich nicht erreichbar bin oder weil mein Zug Verspätung hatte und ich dann doch gerne Bescheid geben wollte, dass ich deutlich später dazu stoßen werde.

 

Woran ich gescheitert bin: Freunde, die Bahn und Ebay Kleinanzeigen

Ein paar Mal bin ich also gescheitert mit meinem offline Sonntag. Ein paar Mal so halb, und zuletzt vor 2 Wochen so richtig komplett. Da ist mir erst am Sonntagnachmittag aufgefallen, dass ja heute Sonntag ist. Upps… Aber ganz ehrlich, an dem Sonntag wäre es auch wirklich schwierig gewesen. Ich bin gerade auf Heimatbesuch in Deutschland und löse meine Homebase auf. Dazu gehört auch der Verkauf diverser Möbel und am Sonntag sind nun mal die meisten Menschen besonders aktiv. Da nicht erreichbar zu sein, das konnte (oder wohl besser: wollte) ich mir nicht leisten. Diesen Sonntag habe ich es dann so gemacht, dass ich zwar erreichbar war, aber selber nicht aktiv ins Internet ging. Ein guter Kompromiss wie ich finde.

An einigen Sonntagen war es so, dass ich dann doch mal etwas nachschauen musste. Blöd nur, dass dann auch automatisch alle WhatsApp- und Messengernachrichten übertragen wurden. Auch etwas – wenig Überraschendes – was ich gelernt habe: es ist so unglaublich viel leichter auf Nachrichten nicht zu antworten, wenn man sie nicht gesehen hat…

Davon, dass ich sonntags für Verabredungen mit Freunden doch auch mal online war, habe ich ja schon berichtet. Dann gab es noch einen Sonntag, an dem ich Bahn gefahren bin und die Tickets nicht richtig in der App geladen waren (kleiner Tipp am Rande: in Frankreich sind es 2 getrennte Tickets, die man herunterladen muss, wenn man für 2 Personen zusammen bucht).

Schließlich habe ich an einigen Sonntagen das Internet genutzt, aber in einer nicht-interaktiven Art und Weise. Ich habe z.B. mal meinen Laptop eingeschaltet um mithilfe eines Yoga-Videos zu üben, da ich einfach zu unmotiviert war, es ohne zu tun. Ich habe auch ein paar Mal abends einen Film geschaut, denn wie gesagt, die Tage sind wirklich lang so ohne Arbeit und Internet, vor allem im Winter, wenn es den ganzen Tag kalt und grau und naß ist und ich schon den ganzen Vormittag und Nachmittag mit Lesen verbracht habe…

Ich bin gespannt, wie sich die nächsten 6 Monate #offlinesunday anfühlen werden. Ich werde mehr Reisen und unterwegs sein als zuletzt und bin gespannt, wie und ob sich das auswirken wird auf meine Sonntage…

*****

Gehen auch Sie ab und zu mal gezielt offline? Wie wäre es mit Sonntag? Machen Sie doch einfach mal mit, gehen auch Sie sonntags offline! Es tut auch gar nicht wirklich weh 🙂

Sie dürfen dann auch ganz stolz am Montag auf Instagram oder Facebook oder direkt hier davon berichten. Ich freue mich auf Ihre Erfahrungen und Kommentare!

 

 

 

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