Ich erhalte jede Woche Emails von Kollegen, die sich für die Arbeit als Onlinepsychologe interessieren und von mir gerne wissen möchten, wie ich es geschafft habe meine psychologische Praxis online zu eröffnen, ob es tatsächlich funktionieren kann und was man alles beachten muss, um als Psychologe online erfolgreich zu sein.
Die psychologische Onlineberatung ist immer noch etwas sehr Neues und weitgehend Unbekanntes in Deutschland. Entsprechend schwer ist es auch, Informationen, gerade rund um alle rechtlichen Aspekte zu erhalten. Der Berufsverband BDP hat zwar ein Verzeichnis für online Psychologen, auf dem ich auch zu finden bin, aber bis auf ein paar allgemeine Hinweise zur Verwendung von sicherer Technologie, guten Aufklärung von Klienten über Vor- und Nachteile etc. gibt es wenig Handfestes, was neuen Kollegen den Weg erleichtern könnte.
Für Klienten kann diese Liste hingegen sehr hilfreich sein, denn alle Kollegen auf der Liste verfügen über eine gewisses Grundmaß an Qualifikationen im Bereich Psychologie und Beratung, was man sonst im Internet im Bereich der Beratung leider nicht immer so behaupten kann. Worauf man als Klient noch achten sollte, darüber habe ich u.a. hier mehr geschrieben.
Freiheit – Reisen – (Arbeiten?)
Der Traum des Reisens, der Unabhängigkeit und Freiheit, die ein Leben als Digitaler Nomade verspricht, sind verlockend. Gleichzeitig habe ich immer wieder den Eindruck, dass viele sich online Arbeiten als so unglaublich einfach vorstellen, dass Sie wahrscheinlich ziemlich schnell enttäuschend werden würden, sollten sie es tatsächlich versuchen.
Natürlich ist es einfacher einer Praxis online zu eröffnen als offline. Man braucht ganz wenig Ausstattung (ein Laptop, Kopfhörer und gutes Wlan reichen im Grunde völlig aus) und man könnte im Grunde sofort loslegen. Man muss auch keinen Kassensitz kaufen, denn die Möglichkeit der Abrechnung mit den Krankenkassen gibt es bisher online (noch) nicht.
Was die meisten nicht bedenken oder unterschätzen ist, wie lange es dauert, bis sich das herumspricht mit so einer Onlinepraxis, wie lange es dauert, bis man im Internet gefunden wird oder wie lange es überhaupt erstmal dauert, bis man eine Webseite und Social Media Auftritte geplant und erstellt hat.
Was viele unterschätzen ist, dass neben der tatsächlichen Arbeit mit Klienten, auch viele andere Tätigkeiten notwendig sind, um eine erfolgreiche psychologische Praxis online zu betreiben.
Was baucht man also alles für das Eröffnen und Betreiben einer erfolgreichen psychologischen Praxis online?
Eine Webseite
Ich glaube das erklärt sich von selbst oder? Wer eine Onlinepraxis führen möchte, der sollte auch online gefunden werden. Auch wenn es sinnvoll sein kann, auf diversen sozialen Medien aufzutreten, so geht doch am Ende nichts über eine persönliche Webseite. Die muss auch gar nicht sehr aufwändig sein, aber natürlich sollte sie die wichtigsten Angaben beinhalten, die Klienten interessieren könnten (und natürlich auf dem neuesten Stand sein was Datenschutz etc. angeht, es lebe die DSGVO ;)).
Eine Alternative kann für den Anfang eine der vielen Plattformen darstellen, die Psychologen online vermitteln. Aktuell scheint Mentavio besonders viel Werbung zu machen und taucht an diversen Stellen immer wieder auf. So ähnlich war es damals als ich angefangen habe vor gut 3 Jahren auch, die meisten Plattformen von damals gibt es aber inzwischen schon gar nicht mehr und ich selber habe über diese auch kaum Klienten erhalten. Langfristig macht der Weg über eine eigenen Webseite auf jeden Fall Sinn, gerade für diejenigen, die sich voll und ganz auf die eigene Onlinepraxis konzentrieren wollen.
Social Media Auftritte
Je nachdem an welche Zielgruppe man sich wendet, kann es sinnvoll sein, bei Facebook, Twitter, Instagram und Pinterest aktiv zu sein. Meiner Meinung nach gilt aber auch hier: lieber weniger, aber dafür mit mehr Inhalt und Qualität, als auf allen Hochzeiten ein bisschen mitzutanzen. Ich glaube auch nicht, dass Facebook & co wirklich so unglaublich wichtig sind, um Klienten zu finden. Denn wer sucht schon bei Facebook nach einem Therapeuten? Aber natürlich hilft es, die eigene „Marke“ bekannter zu machen und verschafft ein weiteres Stück Inhalt und Glaubhaftigkeit. Meine Klienten landen oft erst auf meiner Webseite und schauen sich dann auch die verschiedenen anderen Kanäle an, einfach um einen besseren Eindruck von mir und meiner Arbeit zu bekommen. Ansonsten finde ich persönlich z.B. Facebook aber vor allem zur Vernetzung mit Kollegen unglaublich bereichernd (dazu später mehr).
Einen Blog
Ich habe von Anfang an auf meiner Webseite auch einen Blog gehabt. Durch regelmäßiges Bloggen (unter Verwendung von entsprechenden Keywords und SEO) ist es mir im Laufe der Jahre gelungen, ein sehr gutes Google Ranking zu erarbeiten. Aber auch hier, so etwas geht nicht über Nacht. Wichtig ist einerseits, dass die Webseite regelmäßig mit neuen Inhalten gefüllt wird, da man nur so auch gefunden werden kann. Andererseits hilft mir mein Blog dabei, potentiellen Klienten einen weiteren Eindruck in meine Arbeitsweise zu geben, ich stelle z.B. immer wieder Übungen und Geschichten aus meiner Arbeit vor oder teile Gedanken, die ebenfalls oft durch meine Arbeit, oder auch durch mein Leben als digitale Nomadin angeregt werden.
Vernetzung mit Kollegen
Wahrscheinlich sollte ich diesen Punkt an allererste Stelle setzen, denn ohne den regelmäßigen Austausch mit Kollegen, wäre ich heute ganz bestimmt nicht dort, wo ich bin. Gerade die Onlinearbeit hat es mir ermöglicht mich mit Kollegen aus aller Welt zu vernetzen. In vielen Ländern ist die psychologische Onlineberatung bereits viel etablierter als in Deutschland und ein Blick über den Tellerrand lohnt sich hier also ganz besonders. Neben den größeren Gruppen in denen ich Mitglied bin, bin ich jetzt auch schon länger Teil einer online Intervisionsgruppe, mit der wir uns monatlich zu wichtigen Themen aus unserer Arbeit per Videochat austauschen. Darüber hinaus habe ich dieses Jahr mit Kollegen einen Buchclub für online Therapeuten gegründet, für den wir jeden Monat ein Buch, das wir in unserer Arbeit nutzen oder das diese bereichern könnte, lesen und gemeinsam diskutieren. Gerade als digitaler Nomade ist es ja nicht immer einfach Freundschaften zu knüpfen und zu pflegen, in diesem Fall konnte ich das Angenehme mit dem Nützlichen verknüpfen und komme gleichzeitig meinem persönlichen Ziel für 2018, ein Buch pro Woche zu lesen, ein Stückchen näher.
Zeit und Geduld
Das Allerwichtigste: man braucht Zeit und Geduld. Auch wenn es auf den ersten Blick leicht ist, eine Onlinepraxis zu eröffnen, so dauert es doch bei den meisten mindestens 2-3 Jahre, bis es einigermaßen läuft. Wer alles selber machen möchte (und wenig Vorerfahrung im Bereich Webdesign, Social Media, Marketing etc. mitbringt) bei dem wird es tendenziell länger dauern. Wer seine Webseite z.B. in Auftrag gibt und Geld in Werbung investiert, bei dem wird es wahrscheinlich etwas schneller gehen.
So oder so, es wird nicht von heute auf Morgen so sein, dass die Onlinepraxis voll ist. Was auch gut ist! Ich finde ein langsameres, natürliches Wachsen viel besser und gesünder als den schnellen Übernachterfolg. So hat man Zeit, sein Konzept reifen zu lassen, sich neben dem Marketing auch um die Inhalte zu kümmern und Schritt für Schritt mit seiner Praxis zusammen zu wachsen. Aber natürlich widerspricht das dem „10 neue Klienten in 2 Wochen“ oder wie auch immer die aktuelle Werbung in dem Bereich wohl lauten mag…
Zum Schluss noch ein paar weiterführende Links, die beim Planen und Starten einer psychologischen Praxis online hilfreich sein können
- APA Guidelines Telepsychology
- The Effectiveness of Telemental Health: A 2013 Review
- Current Directions in Videoconferencing Tele-Mental Health Research
- Guided Internet-based vs. face-to-face cognitive behavior therapy for psychiatric and somatic disorders: a systematic review and meta-analysis
Deutsche Artikel zum Thema (Auswahl):
- Die Bundespsychotherapeutenkammer zum Thema Internet in der Psychotherapie
- Artikel von Frank et al. (2017) aus dem Psychotherapeut zum Thema Videokonferenzbasierte psychotherapeutische Anschlussbehandlung
- Artikel von Linden (2017) aus dem Psychotherapeut zu E-Mental-Health und internetbasierte Psychotherapie
Podcasts:
- Selling the Couch
- The Ask Juliet & Clinton Show
- Private Practice Startup
- The Practice of the Practice
- The Therapist Experience
- Therapist ClubHouse
- Online Counseling
- Online private practice
Gute Stichworte für die Onlinesuche nach weiteren Ressourcen sind u.a. Telemental Health, Telepsychology, Online Counselling.
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Denken Sie auch darüber nach, sich mit einer psychologischen Praxis online selbständig zu machen? Dann habe ich hier noch ein paar Angebote für Sie! Sie haben schon eine Webseite und arbeiten schon online? Dann verlinken Sie diese doch gerne unten in den Kommentaren. Ich freue mich immer wieder sehr, wenn ich neue Kollegen kennenlerne, die selber bereits online tätig sind!
Hallo Sonja,
ich freue mich sehr über diesen Artikel! Genau in dem Prozess des Aufbaus stecke ich just gerade. Die Homepage als auch ein YouTube Kanal stehen bereits. Und ich teile den Traum des unabhängigen Reisens und dementsprechender Arbeit als Psychologischer Online Berater.
Ich merke aber auch, dass gerade der Anfang sehr schwierig ist. Trotz meiner Homepage und relativ kontinuierlichen Besucherzahlen halten sich die Anfragen in Grenzen. Aber zumindest steigen die Besuche fortwährend 🙂
Ab Dezember diesen Jahres gebe ich meine Anstellung als Psychologe in einer psychiatrischen Klinik auf und konzentriere mich ab dann lediglich auf meine Klienten aus der Ausbildung zum Psychologischen Psychotherapeuten und die Anfragen zur psychologischen Beratung.
Den Intervisionschat finde ich einer großartige Idee, denn Intervision ist ein wichtiger Bestandteil bei der Arbeit mit Menschen.
Dein Beispiel gibt mir Mut und Hoffnung, dass es möglich ist und dafür Danke ich Dir 🙂
Und Deinen Blog mag ich sehr!
Liebe Grüße und einen schönen Tag
Wilhelm
Hallo Wilhelm,
vielen Dank! Der Start ist nicht ganz einfach und es dauert auch eine Weile, aber ich kann mir vorstellen, dass es leichter wird, wenn du nicht mehr auf 3 Hochzeiten tanzt, sondern nur noch auf 2 😉
Hast du eine Ahnung, wer auf deiner Webseite landet? Sind das tatsächlich potentielle Klienten oder landen die dort aus einem ganz anderen Grund? Falls es durchaus die richtige Zielgruppe ist, dann kann es auch sein, dass das Menschen sind, die einfach noch etwas brauchen, bevor sie sich wirklich dazu entscheiden Kontakt aufzunehmen. Ich kriege immer wieder Anfragen von Menschen, die schon vor Monaten, z.T. Jahren zum ersten Mal auf meiner Seite gelandet sind!
Viel Erfolg weiterhin!
Sonia
Hallo Sonja,
auch ich beabsichtige nach meiner (gerade laufenden) Approbation genau diesen Weg zu gehen. Allerdings kommt bei mir zusätzlich noch die Komponente „Baby“ hinzu, was ich allerdings im Bereich der KJP auch als authentisch und bereichernd erlebe. Nichts desto trotz spüre ich meine eigenen Ängste bezüglich dieses Schrittes und hoffe, dass ich diese perspektivisch überwinden und nutzbar machen kann.
Ich danke dir erst einmal für deinen Input, denn gerade die Wichtigkeit eines dazugehörigen Blogs war mir bisher noch nicht so präsent.
Solltest du auf deinen Reisen die Heimat kreuzen, würde ich mich natürlich auch über einen persönlichen Austausch sehr freuen.
Viele Grüße Bianca
Hallo Bianca,
vielen Dank für deinen Kommentar! Es gibt durchaus auch Kollegen, die ohne Blog online erfolgreich sind. Carolin von https://online-psychology.net/ hatte z.B. lange keinen Blog und ist trotzdem seit 4 Jahren online erfolgreich als Psychologin aktiv. Wenn einem das Schreiben aber liegt, dann kann es ein sehr guter Weg sein ein besseres Google Ranking (mit entsprechendem SEO) zu erreichen und natürlich auch den zukünftigen Klienten einen Einblick in die eigene Arbeitsweise zu geben. Ansonsten können z.B. auch Videos eine gute Alternative sein. Oder einfach etwas mehr Werbung, das hilft auch 😉
liebe Grüße aus Peru und alles Gute für die Approbation und den Start ins neue berufliche Projekt! Du bist auch nicht die einzige, die mit Kind das Projekt angeht, da kenne ich einige, die auch gerade deshalb die Onlineberatung wählen.
Sonia
Vielen Dank für diesen tollen Überblicksartikel und die weiterführenden Links! Ich möchte auch sehr gerne online arbeiten, weil mir nach einem Jahr Weltreise als angestellte Psychotherapeutin die Freiheit und Unabhängigkeit fehlen. Es beruhigt mich, dass es Online Intervisionen gibt, da mir der Austausch mit Kollegen sehr wichtig ist. Liebe Grüße (noch) aus der Klinik
Hallo Franziska, ja, so eine Weltreise, die bringt einen manchmal auf andere Gedanken, das kenne ich! Ich werde demnächst ein paar Angebote für Kollegen starten, vielleicht ist da ja auch was für dich dabei. Hier gibt’s schonmal erste Infos und die Möglichkeit sich einzutragen, um später mehr zu erfahren.
liebe Grüße aus Peru!
Sonia
Liebe Sonia,
durch Zufall gefunden und für gut befunden :-).
Ich lese hier von vielen Psychologen mit Approbation. Nur hilft dir diese überhaupt in deiner Welt? Es ist ohnehin keine Kassenleistung, somit brauchst du keine reguläre Zulassung. Rechtlich bist du ja auch irgendwo unterwegs :-). Reicht aus deiner Sicht ein Studium und entsprechende Bildung oder muss es die Approbation sein?
Hab vielen Dank.
Hallo Maik,
ich glaube man muss da zwei Dinge unterscheiden: das Rechtliche und das Inhaltliche.
Rein rechtlich ist es aktuell in der Tat so, dass jeder psychologische Beratungen online anbieten kann, dafür muss man auch gar kein Psychologe sein. Allerdings könnte sich hier schon bald etwas ändern, denn die Bundespsychotherapeutenkammer hat sich erst kürzlich dafür ausgesprochen, dass Psychotherapie auch online stattfinden darf (zumindest nach einer offline Diagnostik/Indikationsstellung) und die ersten Krankenkassen öffnen sich dem Thema.
Inhaltlich ist es tatsächlich so, dass ich sehr froh bin, dass ich nicht nur mein Psychologiestudium, sondern insbesondere meine Psychotherapeutenausbildung und Berufserfahrung in der Psychiatrie und Psychotherapie habe. Aber das hängt natürlich sehr davon ab, auf was für Themen und Klienten man sich spezialisieren möchte und welche Berufserfahrung man ggf. mitbringt. Ich weiß auch, dass es für viele Klienten mit ein Kriterium ist, für welchen Psychologen sie sich online entscheiden, es gibt ja einige zur Auswahl, auch da helfen natürlich zusätzliche Qualifikationen.
viele Grüße aus Kolumbien,
Sonia
Herzlichen Dank für Ihre Expertise zum Eröffnen einer psychologischen Praxis Online. Es trifft sich gut, denn nach jahrelanger Arbeit in der Klinik und mit viel Erfahrung möchte meine Tochter, eine Psychologin, ihre eigene Praxis gründen und Onlineberatungen anbieten. Ich werde ihr weiterleiten, dass es empfehlenswert ist, auf der Webseite auch einen Blog zu haben, für welchen man ein sehr gutes Google Ranking erarbeiten sollte.
danke und gerne! Das stimmt, ein Blog ist eine super Idee, es hängt aber natürlich auch sehr von der Zielgruppe ab – evtl. sind Videos oder Audioinhalte z.B. sogar noch besser 🙂 Liebe Grüße!
Vielen Dank für diese wirklich tollen Tipps und den Einblick in die Online Beratung!
Ich habe auch vor eine Online Beratung anzubieten. Dies möchte ich nebenberuflich beginnen. Ich bin psychologische Beraterin und werde im Dezember noch die Ausbildung zur Entspannungspädagogin abschließen. Ich hoffe, durch die beiden Bereiche, kann ich mir etwas langfristig aufbauen. Wie Sie sagen, langsam ist am besten 🙂
Viele Grüße aus Baden-Württemberg