…oder vom richtigen Umgang mit hilfsbedürftigen Freunden
Und was machst du so?
Wenn ich auf einer Party (oder bei jeder anderen Gelegenheit) nach meinem Beruf gefragt werde, dann gibt es meist diesen kurzen Moment in dem ich zögere und mir wünsche, ich hätte einen anderen Job. Denn die wahrheitsgemäße Antwort führt nahezu immer zu einer Veränderung im Gesprächsverlauf. Was gerade noch ein netter Plausch war, bekommt plötzlich eine ganz andere Dynamik. Wenn ich also antworte, dass ich Psychologin (oder Psychotherapeutin) bin, dann kommt es fast immer zu einer der folgenden zwei Reaktionen: “oh, da muss ich mich ja jetzt in Acht nehmen” (gerne auch formuliert als “da weißt du ja jetzt schon alles über mich und hast mich schon analysiert”) oder es kommt eine mehr oder weniger direkte Frage, die auf meine berufliche Expertise abzielt. “Das ist ja toll, ich hab da mal eine Frage… ich kenne da jemanden, der…”.
Eine Party ist keine Praxis
Ich mag meinen Beruf, ich habe immer gerne als Therapeutin gearbeitet und es bereitet mir Freude andere Menschen zu helfen, ihr Leben zu verändern. Aber dies ist mein Job, das habe ich gelernt und dafür werde ich bezahlt. Eine Party oder das erste Kennenlernen von neuen Menschen ist meist nicht der optimale Ort für ein solches Gespräch. Und auch sonst erlebe ich es immer wieder, Freunde oder Verwandte wenden sich mit einer Frage, einem Problem an mich. Selbst wenn ich dazu bereit bin mir die Zeit zu nehmen und ihnen auch gerne helfen möchte, so gibt es doch auf die meisten Fragen keine einfache Antwort – vermutlich müssten sie mich sonst auch nicht fragen und wären schon selbst darauf gekommen. Ich habe keine schnelle Lösung für Probleme, ich weiß vielmehr, dass es oft eine längere Arbeit benötigt, um Probleme anzugehen und Dinge zu verändern. Natürlich kann ich Hinweise geben, Anregungen und Ideen. Aber ich habe auch gelernt, dass ich mich vor solchen Anliegen zumindest stellenweise schützen muss. Möglicherweise liegt es daran, dass ich mir beruflich viele Probleme anhöre, Menschen dabei helfe Dinge zu verändern und Lösungen zu finden. Auf jeden Fall geht es mir oft so, dass ich wenig Lust habe, mir auch noch privat Probleme anzuhören. Ich bin nicht die Therapeutin meiner Freunde – ich kann und will es auch gar nicht sein.
Helfen auch Sie viel? Achten Sie auf sich!
Manche Menschen, egal ob sie – wie ich – beruflich in dem Bereich tätig sind oder nicht, ziehen solche Anfragen wie magisch an. Sie können gut zuhören, ihnen kann man sich anvertrauen. Sie wissen vielleicht sogar Rat und helfen immer wieder gerne. Und sosehr dies eine schöne Rolle sein kann, sosehr besteht auch die Gefahr, dass solche Menschen sich zu viel aufbürden. Sie helfen anderen und vergessen sich dabei selbst. Sie laufen Gefahr ausgenutzt zu werden, zum mentalen Mülleimer der Anderen zu werden. Ja, es ist schön, für seine Freunde da zu sein. Aber es sollte nicht einseitig sein. Und wer zu viel hilft und unterstützt, der läuft Gefahr sein eigenes Seelenheil dabei zu vergessen. Sollten also auch Sie dazu neigen, fragen Sie sich ruhig mal, ob es Ihnen wirklich gut tut. Hören Sie in sich, achten Sie auf sich und schicken Sie ihre Freunde vielleicht lieber zum Therapeuten.