Immer wieder lese ich bei Facebook oder auf Blogs von Menschen, die eine Social Media Auszeit planen oder gerade hinter sich haben. Manchmal ist es eine Woche ohne Facebook, manchmal ein Monat komplett ohne Internet. Allen gemein ist, dass sie versuchen auf diesem Weg eine Pause einzulegen, sich dem Stress der ständigen Erreichbarkeit und der Reizüberflutung mit Nachrichten und Katzenvideos zu entziehen.
Der Tag hat nur 24 Stunden
Im Schnitt verbringen wir 50 Minuten am Tag auf Facebook und Instagram. Falls Ihnen diese Zahl niedrig vorkommt, dann bedenken Sie, dass es nach wie vor genug Menschen auf der Welt gibt, die nicht täglich bei Facebook vorbei schauen. 50 Minuten am Tag, das ist fast so viel Zeit wie wir mit Essen verbringen und mehr als mit jedem anderen Hobby, außer dem Fernsehen. Kein Wunder also, dass viele Menschen sich nach einer Auszeit oder einem anderen Umgang mit Sozialen Medien sehnen. Endlich wieder Zeit fürs Lesen, das ungestörte Treffen mit Freunden, die richtigen Gespräche, den Sport.
Wenn die Grenzen immer mehr verschwimmen
Für viele Menschen ist es aber gar nicht so einfach möglich, eine längere komplette Auszeit einzulegen, denn wer benötigt heute keine Emails oder Internet für seine Arbeit? Die meisten Menschen leben heute auch nicht mehr am selben Ort wie all ihre Freunde und Verwandte. WhatsApp und Facebook sind da wunderbare Hilfsmittel um den Kontakt aufrecht zu erhalten und zu pflegen. Wer aber auch noch beruflich mit Facebook und Instagram zu tun hat, dem wird es ganz besonders schwer fallen.
Auch mir geht es durchaus so. Früher war das einfach. Ich bin zwar schon seit knapp 10 Jahren bei Facebook, aber bevor ich aus Deutschland weg bin habe ich dort höchstens alle paar Tage mal vorbei geschaut. Unterwegs auf Weltreise war es dann ein einfacher und praktischer Weg um mit vielen Freunden und Verwandten in Kontakt zu bleiben. Ohne Facebook hätte ich auch letzten Monat bestimmt nicht eine ehemalige Mitschülerin nach 19 Jahren auf einen Kaffee in Paris getroffen. Aber seitdem Facebook für mich auch ein Mittel der Vermarktung meiner Onlineberatung und der Vernetzung mit Kollegen weltweit geworden ist, wird es zunehmend komplizierter.
Wenn Abschalten gar nicht möglich ist
Klar, ich möchte gerne spät abends noch die Nachricht einer Freundin erhalten. Aber eine Anfrage für eine Onlineberatung mit einer ausführlichen Schilderung von psychischen Problemen und persönlichen Katastrophen, die möchte ich eigentlich lieber nicht abends im Bett lesen. Bei Emails ist es noch recht einfach, ich lasse mich nicht über jede neue Nachricht sofort benachrichtigen, sondern lade diese bewusst dann, wenn es gerade passt. Bei Facebook ist das leider nicht so einfach möglich. Dabei ist eine Trennung von privat und Beruf wichtig. Gerade in einem Beruf wie meinem, im Grunde aber doch auch für alle anderen. Wer aber online arbeitet und seine Klienten auch über Soziale Medien akquiriert, oder auch einfach nur mit seinen Kollegen auf Facebook befreundet ist, für den verwischen die Grenzen immer mehr. Was früher ein rein privates Medium war, ist heute auch ein berufliches. Während vor Jahren noch Emails nur im Büro gelesen wurden, so ist es heute fast schon Standard, dass diese auch am Abend und Wochenende beantwortet werden. Diese Vermischung von Privat und Beruf führt erst recht dazu, dass wir uns nach einer Auszeit sehnen. Eine längere Auszeit ist trotzdem nicht zwingend unmöglich, erfordert aber viel Vorbereitung, Verständnis des Umfeldes und der Arbeitsberg ist danach vermutlich auch nicht kleiner geworden. Vor allem stellt sich aber die Frage, ob eine solche radikale Auszeit wirklich so hilfreich ist…
Kompletter Entzug oder achtsamer Umgang mit Sozialen Medien?
Grundsätzlich sind Auszeiten super. Mal für ein paar Wochen bewusst auf etwas verzichten. Eine Woche Fasten oder einen Monat komplett auf Alkohol verzichten, können wunderbare Maßnahmen sein, die neue Erkenntnisse verschaffen und dem Körper und Geist gut tun. Aber wenn wir danach wieder genauso weitermachen wie zuvor, was hat die Pause dann wirklich gebracht?
Wäre es nicht viel besser langfristig unser Verhalten zu verändern? Oder anders gefragt, warum reagieren wir eigentlich gleich so extrem? Sind wir wirklich so schwach, dass wir nur ganz oder gar nicht können? Wie wäre es, wenn wir, statt uns abzuwenden, lieber lernen gezielt damit umzugehen? Würden wir von einem achtsamen, reduziertem Umgang mit Sozialen Medien und dem Internet am Ende nicht viel mehr profitieren? Denn seien wir doch mal ehrlich, so sehr wir diese Medien ab und zu verfluchen, mindestens so sehr lieben wir sie doch auch. Sie eröffnen uns komplett neue Welten, erlauben es uns informiert zu sein und mit Freunden auch über große Entfernungen hinweg in Kontakt zu bleiben. Ja, sie erlauben es Menschen wie mir sogar anderen davon zu erzählen, dass psychologische Hilfe auch online möglich ist.
In kleinen Schritten zum Erfolg
Mein Rat daher: Machen Sie die komplette Auszeit, wenn Sie möchten (und können). Aber vor allem, lernen Sie Ihren Medienkonsum bewusst zu reduzieren. Wie das funktionieren kann?
Hier ein paar Tipps, wie auch Sie den Umgang mit Ihrem Handy und den unendlichen Weiten des Internets neu strukturieren können:
1. Bestandsaufnahme machen: Seien Sie ehrlich mit sich selbst und beobachten Sie Ihr eigenes Verhalten. Wie oft greifen Sie zum Handy? Wie oft prüfen Sie, ob Sie neue Nachrichten erhalten haben oder was in der Welt Neues passiert ist?
2. Setzen Sie sich konkrete und realistische Ziele. Was wollen Sie verändern? Warum? (und was wollen Sie Schönes mit der gewonnenen Zeit machen?)
3. Fangen Sie klein an. Schalten Sie Benachrichtigungen ab, synchronisieren Sie Emails nicht mehr automatisch, nehmen Sie das Handy nicht mit ins Bett (oder nur im Flugmodus, falls Sie keinen anderen Wecker besitzen).
4. Üben Sie Achtsamkeit im Alltag. Hören Sie auf mit dem Multitasking und widmen Sie Ihre volle Energie und Konzentration der einen Sache, die Sie gerade tun. (Sie schauen einen Film? Benötigen Sie wirklich gleichzeitig auch noch Ihr Handy?)
5. Verzichten Sie bewusst auf Ihr Handy. Gehen Sie ohne Telefon zum Supermarkt. Lassen Sie das Handy in der Tasche, wenn Sie sich mit Freunden treffen. Versuchen Sie mal einen kompletten Tag ohne Soziale Medien auszukommen. Gönnen Sie sich ein internetfreies Wochenende.
6. Lassen Sie sich von kleinen Rückschlägen nicht gleich entmutigen, auch die gehören mit dazu. Seien Sie nicht zu streng mit sich selbst und denken Sie daran, sich für Erfolge zu belohnen (offline, wenns geht 😉 )
7. Ziehen Sie Bilanz und passen Sie Ihre Ziele und Ihr Vorgehen ggf. an.
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Wie steht es um Ihren Umgang mit Sozialen Medien?
Greifen auch Sie morgens als Erstes zum Handy? Haben Sie schon mal eine Auszeit probiert?
Genau mein Wunderpunkt, denn ich verbringe viel zu viel Zeit in der social Media Welt. Ich denke, viel zu oft – ach das noch oder dies noch und plötzlich hat man das Handy wieder 5 Minuten oder gar 30 Minuten in den Händen.
Eigentlich nervt es nur noch, aber machen tut man es trotzdem.
icch versuche oft mein Handy einfach zu Hause zu lassen, der Wegdahin ist aber schwer.
Deine Tipps sind toll und die werde ich mir sehr zu Herzen nehmen.
Danke für dieses spannende Thema
Eine sehr schöne Zusammenfassung der Problematik. Als Blogger ist man ja auch permanent im Netz unterwegs. Aber manchmal muss man auch mal sagen „Nein, jetzt nicht.“ Und dann tue ich genau das, was Du auch schon vorgeschlagen hast: Raus gehen und Handy einfach mal zu Hause lassen, mich auf eine Sache konzentrieren etc. Manche Menschen können ja fast gar nicht mehr ohne das Smartphone in der Hand zu haben sich bewegen. Darunter leidern auch so viele Gespräche und das Zusammensein. Schlimm :/
Lieben Gruß
Jil