Wenn Sie jetzt spontan sagen, was für ein Blödsinn, ich will natürlich gar keinen Schmerz in meinem Leben, dann sollten Sie vielleicht weiter lesen. Am Ende des Artikels könnte Ihre Antwort durchaus anders lauten.

Welchen Schmerz

 

Was wollen Sie erreichen? Wie wollen Sie leben? Wovon träumen Sie?

Jeder, der sich ein bisschen mit Selbstverwirklichung und Entfaltung beschäftigt, jeder der eine spezifische Vorstellung seines Traumlebens hat oder der gerne etwas verbessern möchte, der stellt sich diese Fragen regelmäßig. Auch die meisten Ratgeberbücher und Blogbeiträge zu dem Thema sind voll davon. Diese Fragen sollen dabei helfen, die eigenen Ziele klarer zu erkennen und vor allem natürlich zu erreichen. In gewissem Rahmen tun sie das natürlich auch. Aber was wir uns dabei eher selten fragen ist, welchen Preis wir bereit sind dafür zu zahlen. Dabei wäre diese Frage vielleicht mindestens so wichtig, wenn nicht sogar noch wichtiger.

Anders gefragt, welche Schmerzen wollen Sie in Ihrem Leben?

Welchen Preis sind Sie bereit zu zahlen, welche Schmerzen wollen Sie in Ihrem Leben? Ja, wollen. Denn auch wenn wir üblicherweise diese negativen Aspekte eher als leidiges Übel in Kauf nehmen, so können Sie uns durchaus dabei helfen unsere Ziele auch tatsächlich zu erreichen. Vor allem aber können Sie uns helfen unsere erreichten Ziele auch wirklich zu genießen. Wer bei der Zielsetzung nur das Endprodukt mit all seinem Glanz sieht, der übersieht schnell, dass der Weg lang und steinig sein kann. Auch das Ziel selbst hat oft Schattenseiten, die einem nicht sofort ins Auge fallen. Wer also genau hinschaut, hat bessere Aussichten auf Erfolg.

Traum erfüllt – trotzdem unglücklich

Ich hatte vor Kurzem ein Erstgespräch mit einer neuen Klientin und sie berichtete von Folgendem: Seit ca. 3 Monaten lebt sie als digitale Nomadin in Südamerika. Sie hat sich damit einen lang gehegten Traum erfüllt. Zwei Jahre lang hat sie gespart und sich auf dieses neue Leben vorbereitet. Sich all die Vorteile ausgemalt, und sich vor allem darauf gefreut aus ihrem alten Leben auszubrechen, die Einengungen und Anforderungen eines anspruchsvollen Jobs mit wenig Zeit fürs Privatleben und natürlich auch das schlechte Wetter hinter sich zu lassen. Sie hat einen Teilzeitjob online gefunden, mit dem sie ausreichend verdient um sich dieses neue Leben vorerst auch zu finanzieren. Nun lebt sie ihren Traum und ist trotzdem nicht wirklich glücklich. Warum? Weil die Probleme, die sie zu Hause hatte, mitgekommen sind. Vor allem aber, weil sie unterschätzt hatte, wie anstrengend dieses Leben tatsächlich ist. Weil sie nicht bedacht hat, dass ihr Traum auch ein Preis hat. Damit ist sie nicht allein.

Der Druck ist groß

Immer höher, immer besser. Schlank, fit, schön. Erfolgreich. Kinder und Karriere und im Bett auch alles super. Die Anforderungen, die unsere Gesellschaft und unser Umfeld an uns stellen sind hoch, unsere eigenen Anforderungen oft noch höher. Aber jedes Ziel hat seinen Preis. Wer schlank sein will muss leiden, oder zumindest auf Schokolade verzichten und Sport treiben. Wer erfolgreich sein will, muss hart arbeiten. Wer Kinder will, muss auf Freiheiten und Schlaf verzichten. Wer keine Kinder will, muss dem Druck der Umwelt standhalten. Wofür auch immer wir uns entscheiden, worauf wir hinarbeiten, es hat einen Preis. Sei es das Sozialleben, das leidet während wir uns auf die Karriere stürzen oder die Hobbies, während wir versuchen Arbeit und Familie unter einen Hut zu bringen. Der Druck der auf uns lastet, möglichst alles zu schaffen ist groß. Aber wenn wir ehrlich sind, dann wissen wir alle, dass es unmöglich ist alles zu haben, alles zu schaffen, in jedem Bereich erfolgreich und gut zu sein.

Sind Sie bereit für die Veränderung? Sind Sie bereit für den Schmerz?

Ich habe ihn noch sehr deutlich vor Augen, einen meiner ersten Patienten, damals in einer Praxis in Deutschland. Deutlich depressiv kam er zu mir in Behandlung, weil so einiges in seinem Leben schief lief. Je genauer wir uns die Sache anschauten, desto offensichtlicher wurde, dass er zwar unter dem aktuellen Zustand leidet, aber gleichzeitig auch nicht bereit war, den Preis der Veränderung in Kauf zu nehmen. Etwas zu verändern hätte zunächst einmal bedeutet auch sich selbst in Frage zu stellen. Während es oft einfach ist die Schuld bei den anderen zu suchen, ist es doch viel schwierig unseren eigenen Anteil an einem Problem zu erkennen und uns diesen einzugestehen. Auch die Partnerschaft des Patienten war so aufgebaut, dass er der „Schwache“ in der Beziehung war. Hätte er begonnen etwas an sich zu verändern, hätte dies natürlich auch Auswirkungen auf die Beziehung gehabt. Während er also gerne dazu bereit war, sich stundenlang darüber auszulassen, wie furchtbar doch die Menschen in seinem Umfeld waren, so fiel es ihm deutlich schwerer den Schritt in die Veränderung zu gehen. In der Psychologie spricht man hierbei auch von sekundärem Krankheitsgewinn. Denn so anstrengend es auch sein mag, in der Lage dieses Patienten zu stecken, so viel einfacher wurde es doch auch durch den Umstand, dass seine Partnerin ihm so vieles abnahm und alles für ihn tat und er gleichzeitig den Kollegen und Bekannten die Schuld an seiner Lage geben konnte.

Also ja, Veränderung ist anstrengend. Dennoch lohnt sie sich.

Ich möchte hiermit jeden dazu ermutigen, sich bei all dem Ausmalen von Träumen und Zielen, sich zur Abwechslung auch mal die Frage zu stellen, welchen Preis Sie bereit sind für Ihre Ziele zu zahlen, welchen Schmerz Sie in Ihrem Leben wirklich wollen?

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