Ich wurde heute Zeugin eines Streitgesprächs zwischen einer erbosten Kundin und fünf bemühten Mitarbeiterinnen eines Cafés. Mir ist zwar nach wie vor nicht ganz klar, worin das ursprüngliche Problem lag, offensichtlich war aber, dass es zu keiner gütlichen Lösung kommen würde. Die Kundin verwies immer wieder auf ein besonderes Onlineangebot, von dem die Mitarbeiterinnen jedoch nichts wussten. Die Mitarbeiterinnen verwiesen auf ihr tatsächliches Angebot und hörten sich die Klagen der Kundin geduldig immer wieder an. Der Mann der Kundin meinte zwar mehrfach, dass es keinen Sinn habe noch weiter zu diskutieren, aber die Dame war eindeutig in Fahrt und nicht bereit aufzugeben. So ging es zahlreiche Minuten weiter. Außer viel Aufregung und einem hochroten Gesicht bei der Kundin schien jedoch nicht viel dabei heraus zu kommen. Auch der herbei geeilte Chef der Einrichtung konnte nichts weiter tun als sich die Geschichte auch noch mal anzuhören. So wie alle anderen Mitarbeiterinnen blieb er freundlich und zuvorkommend, in der Sache änderte sich jedoch nichts.
Mich erinnerte der Vorfall an die Geschichte von der Schuldfrage aus dem Buch Eine Minute Unsinn von Anthony de Mello . Natürlich ist es manchmal wichtig zu klären, wer Verantwortung (oder Schuld) trägt. Aber mindestens so häufig bringt uns diese Frage nicht weiter. Und gerade in solchen kleinen Alltagsfragen steht die investierte Zeit und Energie meist in keinem Verhältnis zur Sache. Wie wäre es also statt dessen, wenn wir ab und zu mit einem Lächeln unseres Weges gehen?
Der Meister ging eine Straße entlang.
Plötzlich stürzte ein Mann aus einem Hauseingang, so dass die beiden heftig gegeneinander prallten.
Der Mann war furchtbar wütend, schrie und schimpfte und beleidigte den Meister.
Daraufhin verbeugte sich der Meister mit einem milden Lächeln und sprach: „Ich weiß nicht, wer von uns an dem Zusammenstoß die Schuld trägt. Ich bin aber auch nicht gewillt, meine kostbare Zeit mit der Beantwortung dieser Frage zu vergeuden. Deshalb: Wenn ich die Schuld trage, entschuldige ich mich hiermit und bitte Sie für meine Unachtsamkeit um Verzeihung. Falls Sie der Schuldige waren, können Sie die Sache einfach vergessen.“
Er verbeugte sich noch einmal und ging mit einem Lächeln im Gesicht seines Weges.